Samstag, 5. März | 19:30

Hof B. | Aufbahrungshalle


Der Vortrag beschäftigt sich mit zwei auf den ersten Blick sehr unterschiedlichen Projekten: mit Hof B, dem Umbau eines historischen Vierkanthofes zu einem Wohnhof, sowie einer neu errichteten Aufbahrungshalle im Kremstal. Die Verbindung der beiden Projekte ergibt sich aus einer grundlegenden Gestaltungsaufgabe in der Weiterführung eines kulturellen Kontextes. Der Entwurf zu Hof B interagiert mit dem baukulturellen Bestand und integriert sich in die Struktur eines klassischen Vierkanters. Die Aufbahrungshalle wiederum bettet sich in einen stark kulturell und rituell aufgeladenen Themenraum, verbindet sich sozusagen mit einem nicht physischen Bestand.

Das oberösterreichische Städteviereck zwischen Linz, Wels, Enns und Steyr ist eine beeindruckende baukulturelle Landschaft und wird auch als das Viertel der Vierkanter bezeichnet. Hof B ist in seiner 200-jährigen Geschichte sowohl in seiner Struktur als auch in seiner Erscheinung ein kaum verfremdeter Bauernhof. Die sinnliche Aura der Unberührtheit gab den Anstoß, auf die Wirkung der ursprünglichen Ästhetik zu vertrauen. Qualitäten und Merkmale wurden freigelegt und Nutzungsabläufe behutsam in die bestehende Struktur eingearbeitet. Ein neu errichteter Gebäudeteil fügt sich selbstbewusst in das Ensemble ein, ohne die Hauptrolle zu übernehmen. Diese Vorgehensweise basiert auf dem Ansatz, Baugeschichte weiter- statt umzuschreiben.

Die neue Aufbahrungshalle in Kematen an der Krems ist ein dem Friedhof vorgelagerter Verabschiedungsraum. Er ist ein Ort der traditionellen Totenwache und des ungestörten Totengedenkens. Um dem Ereignis und der Bedeutung des Ablebens gerecht zu werden, baut der Entwurf auf tröstende und traditionelle Rituale auf: So stellt etwa der Trauerzug, der in vielen Religionen als zentraler Teil des Bestattungsrituals vollzogen wird, den ehrenvollen Weg zur Grabstelle dar. Dieser wird als rituelle Achse und Verbindung zwischen Kirche, Friedhof und Verabschiedungsraum in gebauter Form neu interpretiert. Die Umgebung selbst, der Friedhof, ist nicht nur emotionaler und religiöser Ort, sondern auch Zeuge lokaler Geschichte. Diese Orte stehen für kulturelle und regionale Identität. So nimmt die Verwendung von Konglomeratsteinen etwa direkten Bezug auf die im Ort befindliche romanische Kirche, widerspiegelt die lokale Baugeschichte und ist ein identitätsstiftendes Merkmal des Kremstales.
A.M.

Anna Moser, geb. 1980 in Linz. Architekturstudium an der Universität für angewandte Kunst in Wien sowie Innenarchitektur an der Willem de Kooning Academie in Rotterdam. Studium der Kunstpädagogik an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz.

Michael Hager, geb. 1980 in Wels, Oberösterreich. Architekturstudium an der TU Graz.

Gründung von Moser und Hager Architekten 2011 mit dem Schwerpunkt Um- und Weiterbau wertvoller Substanzen im Sinne einer gelebten baukulturellen Verantwortung. Das Paar lebt und arbeitet selbst in einem historischen Gebäude im Kremstal.