Samstag, 5. März | 13:45

Atelierhaus C.21


betrachtet man die dynamik und vitalität von lebenssehnsüchten und lebensumständen des einzelnen im laufe des lebens und die differenz individueller lebensvorstellungen vieler menschen in einer zeit, so ist das bauen und der raum als materielle verfestigung von kulturellen vorstellungen sehr starr und unbeweglich – das liegt in der natur der sache.

der aufenthalt von menschen in räumen ist aber ein grundbedürfnis und unumgänglich; die beschäftigung mit raum ist beschäftigung mit dem leben, mit allen normalitäten, skurrilitäten, wie immer man sie empfindet oder bewertet. die lebensformen und die lebensbilder sind zwar unüberschaubar, aber in all der vielfältigkeit „normal”. was als rahmen für das leben über die zeit unverändernt bleibt, ist der raum selbst.

lebensbilder sind bestimmt von zwei menschlichen eigenarten – sich an alle lebensumstände zu gewöhnen und zugleich mit jeder situation unzufrieden zu sein. wie können räume da gedacht und gebaut werden, losgelöst von momentan populärem, von durch politik und social engineering regulierten raummustern, von durch markt, werbung und lifestyle suggerierten bildern und gelöst von funktionalen idealen der moderne? raummuster, die neutral und quasi „nutzlos” sind, geeignet und offen für verschiedene lebensbilder über die dauer des bauwerkes. nur raum frei von vorbestimmten verhaltensmustern, keine neuen „nutzungsmuster” oder ideen „spezieller funktionen”, reduziert auf die elementaren täglichen bedürfnisse und raum. (auszug aus werner neuwirth: „der raum, das leben und über das nützliche”, in: architektur aktuell 11.2021)

das atelierhaus C.21 ist das ergebnis von zufall, fügung und einer bestimmten aufmerksamkeit, von umständen wie einem „restgrundstück”, einer „unattraktiven” widmung und einem eigenwilligen projektentwickler, der die gelegenheit erkannt hat, eine denkbare raum-lösung als möglichkeit an dem ort zur verwirklichung zu bringen. das atelierhaus ist damit ein möglicher normalfall, kein idealfall, wie im grunde jedes andere haus auch.
W.N.

Werner Neuwirth, geb. 1964 in Bodenmühl, Kärnten. Studium der Malerei und Architektur in Wien, seit 2000 eigenes Architekturbüro. Projektbeispiele: „generationen : wohnen am mühlgrund” mit Hermann Czech und Adolf Krischanitz, „PaN Wohnpark” mit Sergison Bates und von Ballmoos Krucker, „Atelierhaus C.21”. 2016 Gastprofessor an der TU Wien, 2019 akademischer Gast an der ETH Zürich. 2014 erschien „Drei Häuser in Wien” und 2018 gemeinsam mit Robert Hahn „Raum – Annähern” über Raum und das Atelierhaus C.21.