Samstag, 5. März | 14:45

Wohnbauten Spallartgasse | Leyserstraße


Ungleiche Geschwister
Sie haben dieselben Eltern und sind zusammen groß geworden. Trotzdem haben sie sich zu zwei sehr unterschiedlichen Charakteren entwickelt. Aber die beiden haben auch unverkennbare Gemeinsamkeiten. Wie genetische Prägung und Einflüsse von außen die Persönlichkeit bestimmen, am Beispiel der Häuser Spallartgasse und Leyserstraße.

Spallartgasse: Urbanes Wohnen im Stadthaus
Durch die exponierte Lage des Baukörpers an der Ecke Leyserstraße | Spallartgasse und die Nutzung des gesamten Erdgeschoßes als Geschäftsfläche ist der Bauplatz 3 gewissermaßen der „urbanste” der Entwicklung Körner Kaserne | Spallartgasse. Mit den beiden Fronten an der Baulinie bildet der Baukörper eine markante Ecke und nimmt damit eine Sonderstellung im gesamten Areal ein. Das architektonische Gepräge des Baukörpers orientiert sich daher am Typus „Stadthaus”: Betonung der Gebäudeecke, keine vorspringenden Balkone an den Straßenseiten, gläsern aufgelöste Geschäftszone im Erdgeschoss.

Leyserstraße: Wohnen IM Park
Der Baukörper ist zugunsten der Bestandsbäume zehn Meter von der Straße abgesetzt. Er ist somit an allen vier Seiten von Bäumen umgeben und vermittelt so ein Gefühl von Wohnen IM Park. Dieser Logik folgend ist das Gebäude von einer umlaufenden, nach oben hin zunehmend unterbrochenen Balkon-Loggien-Schicht umgeben. Diese Freiraumzone ist nicht nur Vermittler zwischen Wohnraum und Park, sondern bewirkt gleichzeitig die in dieser Lage besonders strengen Anforderungen des Brandschutzes.

Lasst uns wieder schöne Stiegenhäuser bauen!
Wurden die Stiegen in den gründerzeitlichen Wohnhäusern noch als repräsentative Elemente gefeiert, so sind sie im Laufe der folgenden Epochen zunehmend auf ihre funktionale Notwendigkeit reduziert worden. Dabei sind Treppen doch, architektonisch gesehen, das zentrale Element in einem Gebäude! Sie brechen die Geschossigkeit auf und geben uns Auskunft über die Logik des Bauwerks. Unsere räumliche Wahrnehmung funktioniert durch Bewegung im Gebäude. Raumwahrnehmung braucht Licht, am besten im tageszeitlichen Wechsel. Jede Treppe sollte ein Raumerlebnis bieten: eine fließende Bewegung im Licht.
F.W. | L.C.

Christian Lichtenwagner, geb.in Schmiding, Oberösterreich. Studium der Architektur an der TU Wien und an der Architectural Association in London. 1994–2000 Projektleitung MuseumsQuartier (Projektpartner bei Ortner & Ortner). 2000 Gründung des Büros Froetscher Lichtenwagner (mit Willi Frötscher). Seit 2000 Lehraufträge an der Universität für angewandte Kunst und der TU Wien. 2020 Gründung der Froetscher Lichtenwagner Architekten ZT GMBH.

Willi Frötscher, geb. in Innsbruck. Studium der Architektur an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien und Studium an der UCLA – University of California, Los Angeles. 1994–1998 Universitätsassistent an der TU Wien (Prof. Helmut Richter). 2000 Gründung des Büros Froetscher Lichtenwagner (mit Christian Lichtenwagner). 2020 Gründung der Froetscher Lichtenwagner Architekten ZT GMBH.