TURN ON PARTNER im ORF RadioKulturhaus Wien. Donnerstag, 3. März | Freitag, 4. März 2016.
TURN ON im ORF RadioKulturhaus Wien. Samstag, 5. März 2016.
Heiss | Kamper
Aste | Schafferer
Gruber | Sandbichler
Boday | Weiler
Weinhapl | Kirsch
Burkhard Remmers | Adolf Krischanitz
Lugger | Boday
Gehbauer | Sapp
Roitner | Götz | Untertrifaller
Gehbauer | Fischer
Schober | Riewe | Jereb
Hammertinger | Grasmug | Pichler
Preyer | Strolz
Gaber | Lederer
Jandrisits | Haimerl
Spiehs | Kaden
Puster | Vaes
Söllinger | Speakes
O’Callaghan | Lugger
Humenberger | Stroi
Untertrifaller | Brunner
Eller | Gruber
Schwall | Novotny
Thomas Mennel
Rüdiger Lainer
NMPB Architekten
Nerma Linsberger
Roldán + Berengué
Dorner|Matt
Silvia Boday
Volker Giencke
querkraft architekten
BWM Architekten
Bechter Zaffignani
Anna Heringer
Abendstein | Prenner | Rauch
Henke Schreieck Architekten
Grafton Architects

Programm

Wohnbau Jedleseer Straße | Brünner Straße, Wien
Wohnbau Jedleseer Straße
Ursprünglich war Jedlesee ein kleines Bauern- und Fischerdorf im Augebiet der Donau. Ein paar Kleingärten erinnern noch an die kleinteilige Struktur. Ansonsten ist von der alten Beschaulichkeit nicht mehr viel übrig. Gemeindebauten aus den zwanziger und sechziger Jahren stehen dicht an dicht, markieren das Zeitalter eines wachsenden, sich rasch entwickelnden Wiens. Dazwischen donnert, als wäre das alles nicht schon genug der Unwürdigkeiten, die A22 in Hochlage durchs Wohnmilieu.

Kein leichtes Grundstück, aber eine Chance, an der Herausforderung zu wachsen. Eingezwängt zwischen eine großvolumige Wohnhausanlage mit sieben Geschoßen und ein bescheidenes Häuschen aus der Gründerzeit entstand für den Bauträger Gartenheim dieser geförderte Wohnbau mit insgesamt 22 Wohnungen. Trotz beengter Verhältnisse – die Parzelle misst gerade mal 230 Quadratmeter – und ziemlich eingeschränkter Belichtung auf der Hofseite ist es gelungen, hochwertige Smart-Wohnungen mit zwei bis drei Zimmern zu errichten. Im Dachgeschoß gibt es zudem drei großzügige Maisonetten.

Straßenseitig schieben sich wie bei einem Tetris-Spiel mal Wohnräume, mal Loggien aus der Fassade und umreißen auf diese Weise einen haushohen Erker. Die gegeneinander versetzten Fenster sind nicht nur eine Sache der Ästhetik, sondern auch eine Maßnahme gegen Straßenlärm und Brandüberschlag. Hofseitig trotzen zwei Loggien der herannahenden Feuermauer des Nachbargebäudes und holen so ein Stückchen der großen Gartenanlage ins Innere. Eine Leiter zwischen den beiden Freiräumen sorgt nicht nur für die nötige Privatsphäre zwischen Frau Maier und Herrn Müller, sondern dient dem kompakten Fertigteilbeton-Haus auch als alternativer Fluchtweg.

Ja, es ist ein Ausnutzen bis zum letzten Millimeter. Jemand hat einmal gesagt, dass dieser Wohnbau einem im Schock explodierten Kugelfisch gleicht. Mag schon sein. Doch Tatsache ist, dass wir im stetig wachsenden Wien bis 2050 Platz für 300.000 zusätzliche Einwohner schaffen müssen. Dazu gehören auch leistbare, ökonomisch geschnittene Wohnungen wie diese. Wenn dann auch noch Platz für einen kleinen Balkon oder eine Loggia voller Pelargonien ist, umso besser.

Wohnbau Brünner Straße
Der Tokioter Stadtteil Katsushika gilt als offizieller Partnerbezirk Floridsdorf. Schon von Weitem sichtbar, entfalten sich auf der metallenen Netzhaut, die sich wie ein Schleier ums Haus wickelt, große, stilisierte Kirschblüten – sogenannte Sakura, wie die zartrosafarbenen Blüten im Japanischen genannt werden. Diese sind es schließlich auch, die dem Wohnhaus mit seinen insgesamt 120 Wohnungen und Maisonetten seinen unverwechselbaren Namen verleihen.

Immer wieder entdeckt man hinter den gepixelten Sakura Silhouetten von Menschen, die auf den Laubengängen mitsamt Einkaufssackerl und Schultasche zu ihren Wohnungen schreiten. Das bunte Bild hinter den silbergrau lackierten Fassadenblüten ist ein lebendiges. Nur ab und zu tut sich ein Fenster auf, quadratisch und mit gläserner Brüstung geschützt, von dem aus man weit in die viel befahrene Brünner Straße hinausschauen kann. Tokio, so scheint es an dieser Stelle, ist gar nicht so weit entfernt.

Umso stiller geht es in den Wohnungen zu. Die Drei-Scheiben-Verglasung in den mal kleinen, mal raumhohen Fenstern schirmt einen Großteil des Verkehrslärms ab. Die Grundrisse sind offen und flexibel bespielbar. Vom Kochbereich erhascht man ab und zu einen Blick in den halböffentlichen Bereich; vor allem aber werden die prominent platzierten Küchenzeilen insofern dem neuen Wohntrend gerecht, als sie hier die Mitte und auch das alltägliche Zentrum der Wohnung markieren.

Um das Grundstück – streng genommen handelt es sich bei diesem Projekt um zwei getrennte Baufelder – optimal ausnutzen zu können, stülpt sich das Wohnhaus entlang der Katsushikastraße an einer Stelle wie eine geknickte Falte in den Innenhof. Auf diese Weise entsteht hinter den 20 Meter hohen Kirschblüten ein offenes, urbanes Atrium mit atemberaubenden Durchblicken von Geschoß zu Geschoß. Schräg verlaufende Stützen erledigen ihre Arbeit, indem sie das filigrane Betonkonstrukt in Balance halten. Dazwischen reckt ein (selbstverständlich) japanischer Zwergahorn seine Blätter in den Himmel. Bald schon werden hier die ersten Stühle und Open-air-Sofas stehen, um in der warmen Jahreszeit die Nachbarinnen und Nachbarn zum Plausch und Stelldichein ins Freie zu locken.

Vielleicht wird man sich dann auch darüber unterhalten, wie die japanischen Bezirkskollegen wohl Frolidsdolfu aussprechen.
N.L.
Nerma Linsberger, geb. 1967 in Sarajevo, Bosnien und Herzegowina. 1992–1997 Studium der Architektur an der Akademie der bildenden Künste Wien. Mitarbeit bei Neumann & Partner, Coop Himmelblau, ATP. 2006–2008 Partnerin bei INNOCAD Architektur. 2008 Gründung ICNL Architektur mit INNOCAD. 2010 Gründung von Nerma Linsberger ZTGmbH.

Realisierte Projekte (Auswahl): Wohnhaus Beckmanngasse in Wien (2014), Wohnhaus Jedleseer Straße in Wien (2015), Wohnhaus "Sakura" Brünner Straße in Wien (2016).

Aktuelle Projekte (Auswahl): Wohnhaus Mühlgrund in Wien (Mai 2016), In der Wiesen – Urban Gardening in Wien, Burgenländische Höfe in Purbach, Burgenland, Haus N in Ivanjica bei Dubrovnik, Kroatien.

Auszeichnungen (Auswahl): best architects 15 für das Wohnhaus Beckmanngasse (2015).