TURN ON PARTNER im ORF RadioKulturhaus Wien. Freitag, 8. März 2013. 10.30 bis 18.30 Uhr.
TURN ON im ORF RadioKulturhaus Wien. Samstag, 9. März 2013. 13.00 bis 22.00 Uhr.
Wohnhausanlage Donaufelder Straße 73, Wien
 
Wohnung – Bauform – Stadtraum
Ähnlich wie Buchstaben einzelne Zeilen bilden, sich zu Absätzen, Textblöcken und ganzen Büchern ansammeln und von einer "wesenhaften" Idee getragen und geordnet werden, ordnen sich auch einzelne Räume zu Wohnungen, zu Gebäuden und ganzen Städten. Im Wohnbau steckt damit neben einer feinen individuellen und intimen inneren Nähe auch eine allgemeine und öffentliche, dem Stadtraum verpflichtete Maßstäblichkeit.

Der Bauplatz liegt am ehemaligen Werkareal der Firma Bombardier im 21. Bezirk in Wien. Die Widmung sieht eine Bebauung mit zwei L-förmigen Baukörpern vor, deren Lage zum Stadtraum hin ein "Straßengebäude" und ein "Hofgebäude" ergibt. Bei beiden Bauwerken wird durch die Verlagerung von äquivalenten Kubaturen innerhalb des gewidmeten baurechtlichen Umrisses eine neue stadträumliche Hüllkubatur und Bauform gebildet. Die Kubatur, die durch "Erker" gewonnen werden kann, wird im stadträumlich wie nutzungsmäßig empfindlichen Eckbereich der Winkel reduziert und differenziert neu modelliert. Innenräumlich wird damit unattraktiver Wohnbereich vermieden und außen zugleich mit der Gebäudeform auf den umliegenden Stadtraum reagiert.

Dieses Prinzip ergibt beim Straßengebäude eine Einschnürung der Bauform und durch das Zurückweichen der Fassade im Zugangsbereich einen öffentlichen Vorplatz; das Hofgebäude im Eckbereich löst sich in drei blockhafte Baukörper völlig auf. Die Ansammlung dreier "Häuser" behält zusammen maßstäblich die urbane Gesamtform und löst zugleich an den empfindlichen Stellen die Hermetik einer Großform in eine durchlässige Raumform auf.

Architektur und Bauweise
Die Außenhaut bildet nicht nur eine formale, ästhetisch beliebige Oberfläche, eine kulturelle Kulisse oder Darstellung eines Lifestyles; sie ist der primäre, das Bauwerk in seiner Gestalt bestimmende Bauteil. In seiner Integrität, Logik und Angemessenheit verkörpert er über seine Semantik hinaus – vielmehr in der Grammatik seiner Bauweise – den Charakter und das kulturelle Niveau.

Die Bauform wird schichtweise in Zonen gegliedert; wie Kern und Schale werden die "beheizten" Wohnungen im Inneren von einem "kalten" und roheren äußeren Gewebe aus Betonrahmen umhüllt, ähnlich einem Sakko, bei dem der strapazierfähige und dauerhaftere Stoff das weiche und warme "Futter" innenseitig schützt.

Mit der Hülle aus robusten Betonrahmen kann die Gebäudeform außen präzise und dauerhaft geformt und stadträumlich abgestimmt werden. Das Gewebe entspricht in seiner Gesamtausdehnung dem Maßstab des Stadtraumes und reagiert als plastisches Relief aus geordneten Teilformen auf das wechselnde Licht und eine Dimension der Nähe. Die innere und zugleich thermische Haut als feinerer "Stoff" aus Wand und Fensterrahmen kann hingegen auf die Raumanordnung, eine intimere Maßstäblichkeit, auf Materialität und haptische Nähe reagieren.
W.N.

Werner Neuwirth, geb. 1964 in Bodenmühl, Kärnten. HTL für Hochbau in Villach. Studium der Malerei an der Akademie der bildenden Künste und Studium der Architektur an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien; parallel Assistent am Institut für künstlerische Gestaltung an der TU Wien. 1997–2000 Mitarbeit im Büro Arch. Adolf Krischanitz. Seit 2000 eigenes Architekturbüro in Wien.

Realisierte Projekte (Auswahl): Museum Tauernbahn in Schwarzach, gemeinsam mit Adolf Krischanitz (2002), Fachhochschule Steyr (2004), Wohnbau "generationen:wohnen am mühlgrund" in Wien, gemeinsam mit Hermann Czech und Adolf Krischanitz (2011), Wohnhausanlage Donaufelder Straße in Wien (2012).

Aktuelle Projekte (Auswahl): Wohnbebauung Ernst-Melchior-Gasse in Wien, gemeinsam mit Sergison Bates architects (London) und Ballmoos Krucker Architekten (Zürich).


Weiterführende Links:
www.2824.org
Projektliste in der nextroom architektur datenbank

   
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